Ganz bewusst habe ich als Erwachsene meine Yoni zum ersten Mal Anfang Februar 2020 angesehen. Das ist kein Scherz. Im Alter von 29 Jahren. Auslöser für die intensive Auseinandersetzung mit meiner Yoni war das Ende einer schwierigen Beziehung. Der Liebeskummer war so heftig und kam immer wieder, dass ich schließlich einsehen musste, mich endlich mit mir, meiner Lust, meiner Yoni und meiner Sexualität zu beschäftigen. Damals kam es mir vor, als wollte dieser Schmerz kein Ende nehmen.
Doch aus diesem Kummer entstand eine Idee: Mein Yoni-Tagebuch. Rund zwei Monate lang beschäftigte ich mich von Dezember 2019 bis Februar 2020 einmal wöchentlich mit all meinen Ideen rund um die Yoni. Daraus ging auch der Briefwechsel zwischen meiner Yoni und mir hervor. Darin beschrieb ich ihr erstmals, wie groß mein Ekel, meine Scham und Angst ihr gegenüber waren. Die Links zu den Artikeln findest du am Ende des Textes.
Sich für die eigene Yoni bzw. Vulva zu schämen, ist keine Seltenheit
Durch meine Tantrakurse, Frauenkreise und Frauenrituale (real und virtuell), einen Frauenabend, bei dem wir uns gezielt zum „Yoni-Gucken“ verabredet hatten, Bodypainting, Kakaozeremonien, die Recherchen für mein Yoni-Tagebuch und eine mehrwöchige Joyclub-Anmeldung weiß ich, dass es auch im Jahr 2021 noch immer nicht selbstverständlich ist, dass wir Frauen und Mädels uns unsere Yoni bzw. Vulva ansehen. Und das unabhängig vom Alter.
So fällt mir beispielsweise immer wieder auf, dass auch jüngere Frauen Vagina sagen, obwohl sie eigentlich die Vulva meinen. Viele Frauen bezeichnen auch den Kitzler bzw. die Perle (ich mag das Wort lieber) als Klitoris. Doch die Klitoris reicht bis in das Körperinnere und ist ein recht großes Lustorgan. Aber Hand aufs Herz: Wie soll ich einem Mann sagen, wo und wie ich gern berührt werde oder was er mal probieren könnte, wenn ich selbst falsche Bezeichnungen verwende?
Ich wollte mit dem "da unten" nichts zu tun haben
Und genau diese Frage stellte ich mir selbst, als der Liebeskummer langsam nachließ. Auch wenn ich 29 war, hatte ich so gut wie keine Ahnung. Ja, das ist mir schon ziemlich peinlich. So hielt ich beispielsweise meine großen Schamlippen für Hautwulste, die einfach „zu groß“ waren. Meine kleinen Schamlippen hielt ich für die großen. Die Klitoris war für mich natürlich nur die Perle. Aber eigentlich wollte ich nie so richtig was mit dem „da unten“ zu tun haben. Ich war vom Aussehen, Geruch, Ausfluss, meiner Periode einfach nur überfordert. Das ganze Thema war für mich extrem unangenehm.
Denn während meiner Aufarbeitung der Depression, der Konfrontation mit meinem Selbsthass und meinem negativen Selbstbild wurde mir unter anderem wieder bewusst, dass mir als kleines Mädchen wiederholt auf die Hände gehauen wurde, wenn ich meine „Mumu“ berührte. Und damit bin ich keinesfalls allein. Später sprachen wir (also die Frauen in meiner Familie) nie, und zwar wirklich nie, über Themen wie Menstruation, Sex, weibliche Lust, weibliche Ejakulation usw. Diese Themen gab es bei uns einfach nicht. Der perfekte Nährboden für Tabus, zu starke Scham, Angst und Unsicherheit. Zumindest das Thema Menstruation wurde dann im Schulunterricht mal kurz aufgegriffen. Doch auch hier: Sexualität und Lust? Da sollen sich bitte die Eltern kümmern. Genau die Eltern, die selbst innere Blockaden spüren.
Bitte kein Vulva-Shaming mehr
Vor einer Weile haben meine Schwester und ich über ihren Instagram-Account eine kleine Umfrage zum Thema Sexualität und Aufklärung durchgeführt. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt überlegt, ob ich das Thema Sexualität irgendwie in meinen Blog aufnehme. Dazu wollte ich wissen, ob es bei den Schulabgängern überhaupt Bedarf nach mehr Aufklärung gibt. Das Ergebnis dieser kleinen Umfrage war eindeutig: Fast alle und unabhängig vom Geschlecht hätten sich mehr Aufklärung und Austausch gewünscht (auch in den Bereichen Transgender und Pornographie). 4 Ergebnisse dieser kleinen Umfrage mit insgesamt 10 Fragen siehst du in der folgenden PDF:
Aber zurück zum Thema. Das Ansehen meiner Yoni bildete im Februar 2020 den Abschluss meines damaligen Yoni-Tagebuchs. Nach zweimonatiger Auseinandersetzung mit dem Thema Yoni bzw. Vulva war ich innerlich bereit. Ich spürte innerlich keinen Widerstand mehr. Also machte ich es mir gemütlich, nahm mir einen Spiegel und zog mich aus. Als ich meine Yoni dann zum ersten Mal so bewusst ansah, liefen mir die Tränen. Ich fand sie einfach wunderschön. Genauso wie sie war und ist. Da ist nichts „zu groß“, „zu klein“, „zu faltig“, „zu haarig“, „zu komisch“. Sie ist einzigartig und perfekt. Es war ein unglaublich schöner und verbindender Moment.
Und diesen Moment wünsche ich dir auch.
Lasst uns mit dem Vulva-Shaming aufhören. Und haut kleinen Mädchen nicht mehr auf die Hände. Es ist in meinen Augen völlig ok, überfordert zu sein. Doch die eigene Überforderung an Kindern auszulassen, finde ich ganz und gar nicht ok.
Hast du bereits Erfahrungen mit dem Ansehen (d)einer Yoni gesammelt und magst von deinen Eindrücken berichten? Warst du überfordert, beschämt oder vielleicht auch neugierig? Ich freue mich über einen Kommentar von dir!
Der Artikel wurde am 29.11.2021 auch im Blog des LebensGut-Verlages veröffentlicht. Ganz herzlichen Dank dafür! Hier geht es bei Interesse zum Artikel.
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