Im Juli 2020 zog hier im Haus eine Familie ein, bei der ich bis heute nicht genau weiß, ob es 4 oder 5 Kinder sind. Als sie im Juni die Wohnung (rund 70 qm) das erste Mal besichtigten, wackelten bei mir die Wände. Ich kann nicht ansatzweise sagen, was sie damals taten. Anfang Juli, kurz vorm Einzug, dasselbe Spiel. Ich wurde wütend, spürte in mich hinein und wusste schnell: Wow, krass, das ist mir einfach zu laut. Also ging ich runter, klingelte und bat höflich um etwas mehr Ruhe (Ich war vielleicht stolz auf mich!). Doch der Vater, welcher die Tür geöffnet hatte, legte laut stöhnend den Kopf in den Nacken, der älteste Sohn warf sich ihm dramatisch um den Hals und redete auf ihn ein. Der Vater sah mich an und meinte achselzuckend: "Wir nix deutsch." Die Mutter kam hinzu und sagte: "Wir Kinder." Aus. Fertig.
Nein, ich möchte keinesfalls in eine schräge "Ausländer"debatte abdriften. Darum geht es mir auch nicht. Doch was tut man, wenn man ÜBERHAUPT NICHT wahrgenommen wird? Wie kann man mit derart rücksichtslosem Verhalten umgehen? Ich habe unzählige Erfahrungsberichte mittlerweile gelesen, führte ein Lärmprotokoll, versuchte, die anderen Nachbarn einzubeziehen, suchte Hilfe beim Mieterschutzbund, informierte Hausverwaltung und Wohnungseigentümer. Ich hatte bewusst auf meine Wut gehört und prügelte monatelang immer wieder auf meine Kissen ein (mein bewährtes Aggressionsmittel), wenn die Aggressionen überhand nahmen. Doch NICHTS klappte. Ich habe hier eine ganz verrückte Zeugensituation, nämlich: Keine. Die anderen Mieter sind entweder kaum zu Hause oder öffnen mir schlichtweg die Tür nicht. Ich schrieb Briefe an sie und bat um Unterstützung. Keine Rückmeldung. Hier steht Aussage gegen Aussage. Deshalb kann auch mein Anwalt vom Mieterschutzbund nichts tun.
Das Schlimmste für mich an der Situation: Es ist auch nachts laut. Halb 3, um 4, kurz vor 5 - egal. Manchmal werde ich davon auch wach. Am häufigsten ist es ein lautes Knallen, ein kräftiges Poltern. Völlig unrhythmisch, es kann jederzeit passieren, einmal oder mehrfach hintereinander. Ich schlafe schon lange nicht mehr gut, habe technisch mit verschiedenen Kopfhörern und nun mit einem Schlafstirnband aufgerüstet. Ohrstöpsel benutze ich sowieso. Ich lege mich todmüde ins Bett, doch durch die nagenden Gedanken wie "Kann ich heute schlafen oder nicht?" bin ich recht schnell wieder wach. Es ist unerträglich. Und mein Schlaf ist mir so wichtig. Schon bei einer unruhigen Nacht sieht meine Haut am nächsten Tag furchtbar aus.
Seit September trage ich nun nicht nur nachts, sondern auch tagsüber Ohrstöpsel. Kopfhörer drüber und Spotify an. Ich habe mittlerweile richtig große Angst um meine Ohren. Manchmal schmerzt mein rechtes Ohr. Das könnte aber auch vom Kiefergelenk kommen. Ich hoffe es.
Ich bin nun so weit, dass ich laut durch meine Wohnung trample. Ich finde das völlig bescheuert und komme mir unglaublich dumm dabei vor. Ich glaube, es hat keinen wirklichen Effekt. Allerdings spüre ich, dass mein Aggressionslevel etwas sinkt. Zumindest kurzzeitig. Doch eigentlich will ich nur, dass dieses heftige Knallen aufhört. Ein Bad nehmen, meditieren, mich ans Fenster setzen und die Stille genießen - Das mache ich seit Monaten nicht. Ich komme nicht mehr richtig runter.
Umziehen? In Corona-Zeiten beinahe unmöglich. Ich kann zwar aktuell eine Umzugsfirma beauftragen. Doch die Regeln sehen vor, dass ich mich nur mit einer weiteren Person für den Umzug treffen könnte. Tja, doof :-). Die Wohnungssuche verläuft sehr zäh, ich finde nichts wirklich Passendes. Will ich überhaupt in Leipzig bleiben? Was hier mietpreismäßig abgeht, stört mich zutiefst. In eine kleinere Stadt? Aber das hängt auch von der Arbeit ab. Mein Heilungs- und Veränderungsprozess brauchte natürlich Zeit und so beziehe ich seit Januar 2021 Hartz 4. Das ist für mich (mittlerweile) kein Problem. Auch ich glaubte bis letztes Jahr, von der Arbeit würde mein Leben abhängen. Das war tatsächlich eine tiefsitzende Grundüberzeugung. Doch ich packe es nicht, stundenlang eine Maske zu tragen. Da kann ich auf die Panikattacken warten.
Ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, dass mein Leben leicht gehen darf. Wenn sich starke Widerstände und massive Hürden auftun, läuft irgendwas nicht richtig. Also die Situation akzeptieren? Dagegen sträube ich mich zutiefst. Ich habe dann das Gefühl, meine Bedürfnisse und Gefühle zu übergehen. Das kenne ich ja zu gut und will das nicht. Zumal dann ein Knallen reicht und der Hass kocht wieder in mir hoch. Und kaum schreibe ich das, knallt es eben wieder. Es ist 20:45 Uhr.
Zum ersten Mal in meinem Leben bereue ich, dass ich keinen Führerschein habe. Mich einfach ins Auto zu setzen, um mal verschnaufen zu können. Ich habe auch keinen Kleingarten oder ähnliches. Über die App nebenan.de habe ich die Nachbarschaft schon um Rat gefragt. Eine Idee ist noch, mich in einer Bibliothek anzumelden, damit ich dort schreiben kann. Doch Bibliotheken und Co. sind ja noch eine Weile geschlossen. Ich ahnte letzten Sommer, dass der Herbst und besonders der Winter hart werden, was den Lärm hier angeht. Und das ist auch eingetreten.
Ich bin völlig ratlos. Diese Familie ist für mich eine Art Endgegner. Ob sie andere mit ihrem Krach stören, interessiert sie einfach null. Ich bin nervlich am Limit. Ich ärgere mich manchmal über mich selbst, dass ich nicht einfach runtergehe und ihnen meine ganze Wut ins Gesicht schreie. Ich will so nicht sein. Und ob sich was ändert? Gute Frage.
WAS MACHT MAN IN EINER SOLCHEN SITUATION???
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